Brätzeli wie zu Gotthelfs Zeiten

Unerwartete Überraschungen nach Entsammlung

Im vergangenen Jahr – in der ersten Entsammlungsrunde – wurden 116 Objekte aus dem Regionalmuseum Chüechlihus entlassen. Museen, Vereine, Geschäfte und Privatpersonen holten ihre Wunschobjekte im Herbst 2022 ab, um ihnen neues Leben einzuhauchen. Wir haben die neuen Besitzer:innen nach dem aktuellen Verbleib und Verwendungszweck der ehemaligen Museumsobjekte befragt. Eine der Geschichten, die uns zugetragen wurde, sticht besonders hervor. Sie handelt von Sylvia Probst. Im Herbst 2022 holte die neue Besitzerin ihren Brätzeli-Untersatz aus dem Museum ab, ohne zu ahnen, was daraufhin geschehen würde.

Eine Erzählung in fünf Kapiteln.

Unbrauchbares Brätzelieisen

Kaum waren die Objekte aus dem ersten Entsammlungsjahr verteilt, nahm die Emmentalerin Sylvia Probst ihren neu ergatterten Brätzeli-Untersatz mit nach Hause. Dieser sollte ihr altes Brätzelieisen — das mit wunderschönen Ornamenten versehen ist und sie bereits um die halbe Welt zügelte — ergänzen und ermöglichen, es wieder in Betrieb zu nehmen. In ihrer Küche stellte sie dann sofort fest: «Der Untersatz aus dem Museum war für mein Eisen zu klein. Es ist deshalb immer noch nicht zum Einsatz kommen.» Konsterniert platzierte sie ihr Brätzelieisen dort, wo es sich schon die letzten Jahre befand. «Jetzt hängt es wieder alleine an meiner Küchenwand», berichtet Sylvia Probst und hofft weiterhin auf den Tag, an dem sie einen passenden Untersatz für ihr altes Brätzelieisen findet.

Ein Zeitungsartikel erscheint

Der nicht passende Untersatz aus dem Museum fand bald darauf aber trotzdem seine Bestimmung. Die BZ berichtete über die Schangnauerin und der Artikel brachte ihre Geschichte ins Rollen. «Ein paar Tage nach der Veröffentlichung des Zeitungsartikels klopfte es an meiner Tür», schildert Sylvia Probst. «Ein Leser hat mich ausfindig gemacht und gefragt, ob er mir den Untersatz abkaufen könne, da er ein passendes Eisen dafür habe. Ich habe den Untersatz natürlich umsonst weitergegeben, da ich ihn ja auch umsonst erhalten habe.» Der Mann versprach, im Gegenzug nach einem passenden Untersatz für ihr Eisen zu suchen. Die Chance sei aber recht klein, weiss Sylvia Probst, denn ihr Eisen scheint ein aussergewöhnliches Mass zu haben.

Überraschungen aus der Vergangenheit

Der Zeitungsartikel, der im September 2022 erschienen ist, führte auch dazu, dass Sylvia Probst von einer alten Bekannten erkannt wurde: «Sie rief mich an und bot mir zwei Brätzeli-Eisen und ein Waffel-Eisen inklusive Untersatz an. Diese lagen bei ihr seit Jahren unbenutzt in einer Abstellkammer herum. Ich durfte diese gratis abholen und erst noch eine alte Freundschaft wieder auffrischen!»

Bald darauf erreichte sie eine weitere Überraschung: «Eine noch ältere Bekannte kontaktierte mich! Wir hatten uns vor Jahren aus den Augen verloren.» Diese Bekannte war die Direktorin der Schule, welche die Söhne von Sylvia Probst vor ihrer Auswanderung nach Kanada besucht hatten. Auf einmal war dieser Kontakt wieder hergestellt. Doch es blieb nicht bei diesen Überraschungen – es folgten weitere.

Bald ein kleines Museum

Der Postbote überbrachte Sylvia Probst einen Brief, der nur mit Name und Wohnort adressiert war. Es war Glück, dass dieser überhaupt den Weg zu ihr ins Haus gefunden hatte. Der Brief stammte von einer unbekannten Frau, die Sylvia Probst einen Untersatz für ihr Brätzeli-Eisen anbot. «Allerdings war auch dieser Untersatz für mein Eisen zu klein, was ich der Dame mit Bedauern mitteilen musste. Daraufhin meldete sie sich und bot mir ein ganzes Brätzeli-Eisen-Set an», erinnert sich Sylvia Probst und ergänzt: «Mit dieser Dame habe ich unterdessen regen Kontakt. Sie wird mich besuchen und mir das Eisen-Set überbringen. Ich werde somit bald selber ein kleines Museum haben – allerdings nur ein Brätzeli-Eisen-Museum, aber freuen tut es mich ungemein!»

Weihnachtszeit mit traditionellen Berner-Brätzeli

Der Ort, an dem Sylvia Probst ihre Eisen und Untersätze aufbewahrt, ist ihre Küche. Diese Küche renoviert, putzt und schrubbt sie, um ihr bald neues Leben einzuhauchen. Sie plant, einige ihrer Bekanntschaften und Nachbarn zu Weihnachten einzuladen, um traditionelle Berner-Brätzeli auf einem alten Holzkochherd zuzubereiten. Die Schangnauerin, die nach vielen Jahren im Ausland inzwischen an ihren früheren Wohnort zurückgezogen ist und sich dort sehr wohl fühlt, freut sich darauf: «Das Entsammel-Brätzeli-Eisen-Unterteil hat eine unerwartete Kette von Ereignissen ausgelöst, alte Freundschaften wiederbelebt und mehrere Brätzeli-Eisen für die kommende Weihnacht beschert.» Die Brätzeli- und Waffeleisen von Sylvia Probst sollen deshalb auf ihrer historischen Chunscht (ein mit einem Kachelofen verbundener Ofen) zum Einsatz kommen. «Die Chunscht hat die Ehre, in Zukunft als Kulisse für die Eisen zu dienen!» Gemeinsam mit ihren Freundinnen und Freunden wird Sylvia Probst wie zu Gotthelfs Zeiten in ihrer Küche verschiedene Brätzeli zubereiten.

Für das alte Eisen der Emmentalerin wurde nach wie vor kein geeigneter Untersatz gefunden. Es verweilt stolz und ungenutzt an der Küchenwand. Obwohl es nicht zum Einsatz kommt, erhält es viel Aufmerksamkeit und Wertschätzung, denn es war der Auslöser für die gesamte Geschichte.

📸 Hast du auch ein oder mehrere Objekt/e von uns erhalten? Wir sind gespannt auf deine Erlebnisse und Geschichten. Teile uns gerne mit, was du mit ihnen gemacht hast und schicke uns Fotos davon. Wir freuen uns darauf, spannende Neuigkeiten über die ehemaligen Museumsobjekte zu erfahren!

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