Rückblick #AltSuchtNeu 2022

Eine Sammlung in Bewegung

Eine Museumssammlung ist nie statisch und verändert sich laufend, weil neue Objekte dazukommen oder weggegeben werden müssen. Doch was geschieht mit Objekten, die für das Museum keinen Mehrwert (mehr) darstellen? Gewisse Objekte werden früher oder später aus einer Museumssammlung entlassen. Dieser Akt ist ein heikles Unterfangen, denn es geht dabei um Gegenstände, die dem Museum anvertraut worden sind.

Entsammeln von Museumsobjekten

Wir setzen uns im Regionalmuseum Chüechlihus schon lange und sehr intensiv mit diesem Thema der Entsammlung auseinander: einige Objekte im Museum sind mehrfach vorhanden, teilweise ohne Dokumentation oder kommen aus anderen Gründen für die Museumsarbeit nicht (mehr) infrage. Bei dem geplanten Umzug unserer Sammlung 2022 in ein neues Depot entschieden wir deshalb, ausgewählte Gegenstände für eine Entsammlung, also eine Weggabe aus dem Museum, freizugeben. Daraufhin starteten wir das Projekt #AltSuchtNeu.

Emmentaler Kulturerbe im Dialog

Als Museum haben wir für eine aussergewöhnliche Umsetzung gesorgt: Wir ermöglichten den Emmentaler Einwohner:innen und Heimatberechtigten, den Verlauf und den Ausgang des Projekts zu beeinflussen. Sie konnten ihre Stimme abgeben und auf diese Weise mitbestimmen, welche Objekte das Museum verlassen sollten. Zusätzlich gründeten wir ein Gremium, das unser Entsammlungsprojekt während der ganzen Durchführung von April bis im Herbst 2022 begleitete: den Objektrat #AltSuchtNeu.

Wir sind der Meinung, dass unser wertvolles, historisches Kulturerbe in Langnau nicht dem Museum allein gehört. Die eigentlichen Eigentümer:innen der Objekte aus unserer Sammlung sind die Emmentaler:innen. Aus diesem Grund war es uns ein Anliegen, der Bevölkerung bei der Entschlackung der Museumssammlung ein Mitspracherecht zu gewähren.

März 2022

Objektrat #AltSuchtNeu gegründet

Zusammenkunft des Objektrats #AltSuchtNeu in Langnau

Die Ausstellung entsteht

April 2022

Das Entsammeln von Objekten ist deshalb so relevant, weil erst dadurch eine in sich stimmige, repräsentative Museumssammlung entsteht. Beim Regionalmuseum Chüechlihus ist dies eine Sammlung, die ausgewogen über das Oberemmentaler Kuturerbe erzählt.

Was das genau bedeutet und ist, möchten wir nicht allein in unseren vier Wänden entscheiden. Wir möchten, dass ein Dialog darüber und eine öffentliche Auseinandersetzung mit unserer Geschichte stattfindet.

Um das Entsammlungsprojekt der Bevölkerung näher zu bringen und sie einzuladen, sich an #AltSuchtNeu zu beteiligen, zogen wir vor unserer grossen Eröffnungsveranstaltung mit unseren Plakaten durch Langnau i.E.

Tour durch Langnau i.E.

Objekte sehen und besuchen

Die Objekte, die sich im Depot des Regionalmuseums Chüechlihus befanden, machten wir im April 2022 erstmals öffentlich sichtbar. Die Lancierung der Ausstellung und der ersten Onlineabstimmung über die Objekte, fand am 4. April im Jugendhaus in Langnau i.E. statt. Der Anlass lud ein, sich über das Projekt zu informieren und bot ein kulturelles Programm mit Enrico Lenzin und kulinarischen Köstlichkeiten.

Eröffnungsveranstaltung mit Enrico Lenzin

Die Erfahrungen und das Wissen der Besucher:innen

Rundgang

Ausstellung im Dachstock des Jugendhauses in Langnau i.E.

Erklärvideo

Die Emmentaler Bevölkerung durfte mitentscheiden, welche Objekte aus der Sammlung des Museums entlassen werden sollen. Ein How-To-Video unterstützte die Onlinebesucher:innen beim Abstimmen.

Auswertung der ersten Abstimmung

Zwischen dem 1. und 24. April 2022 konnten die Emmentaler:innen darüber abstimmen, welche Gegenstände das Museum nicht behalten, sondern weitergeben soll. Die Vorschläge dafür basierten auf einer Vorauswahl der Museumsmitarbeitenden.

Der Objektrat diskutierte am 26. April 2022 ebenfalls darüber und analysierte die Resultate aus der Online-Abstimmung. Gemeinsam mit den Stimmen der Objekträt:innen wurden diese in einem speziell entwickelten Verfahren ausgewertet. Das Resultat führte zum definitiven Entscheid, dass 116 Objektgruppen zur Entsammlung freigegeben wurden.

Mai 2022

Im Anschluss an die erste Abstimmung, folgte ein Aufruf, was mit den Objekten in Zukunft geschehen soll. Welcher neue Verwendungszweck gibt es für welche Museumsstücke an einem anderen Ort? Wer einem alten Objekt neues Leben einhauchen wollte, konnte sich zwischen 1. Mai und 26. Juni 2022 online oder vor Ort für eines oder mehrere der Objekte bewerben.

Um sich zu bewerben, wurde auf der Seite des ausgewählten Objekts ein Bewerbungsformular ausgefüllt. Dort liess sich die Idee als Text, in Bild-, Video- oder Audioform eingeben.

Bewerbungsphase

Juni 2022

Auf den Aufruf des Museums, eigene Ideen zur Weiterverwendung der Objekte einzureichen, gingen von 69 Bewerber:innen total 202 Vorschläge ein.

Uns war es ein grosses Anliegen, die Öffentlichkeit nicht nur online abzuholen, sondern ihnen auch die Chance zu geben, die Gegenstände bei uns vor Ort anzuschauen.

Geschichte wird zur Gegenwart

Pesche Heiniger, der Liedermacher, Texter und Slampoet aus dem Emmental, setzte sich intensiv mit unseren historischen Körben, der Röndel, den alten Hemden oder Bretzeleisen auseinander. Die Gegenstände, die bei uns auf ein neues Zuhause warteten, inspirierten den Künstler. Mit viel Vorstellungskraft tauchte Pesche Heiniger in die Welt der Museumssammlung ein und entwickelte aus dem Motto #AltSuchtNeu neue, heitere, verwegene und auch nachdenkliche Texte. Diese trug er bei uns vor:

Kulturprogramm #AltSuchtNeu mit Pesche Heiniger

Gäbsi, Gäbsi
gäbigi Gäbsi
gäbigi Gäbsi
. . .

von Pesche Heiniger

Juli 2022

Wer sich mit einer Idee auf ein Objekt bewerben wollte, konnte dies auf der Plattform ENTSAMMELN.CH. Es war eine Ideenauktion, von der jeweils der sinnvollste Vorschlag gewinnen sollte.

Vielfältige Ideen

August 2022

Abstimmung über den Verbleib der Objekte

September 2022

Die Suche nach den besten Ideen, wie die Objekte weiterverwendet werden könnten, fand mit der Bevölkerung statt. Auf Grundlage einer Online-Abstimmung und den Stimmen des Objektrats #AltSuchtNeu konnten wir darüber entscheiden. Es war ein komplexes und vielschichtiges Verfahren, das zu einer fairen Auswahl und Verteilung beitragen sollte.

Entscheide gefällt

Neues Emmentaler Kulturgut

Aus den Objekten, die kein neues Zuhause an einem anderen Ort erhielten, baute Julia Urech eine neongelbe Skulptur. Klein und Gross halfen am Chüechlihus-Sunndig eifrig mit, aus defekten Betteilen, einer Truhe, einer Röndle und weiteren Gegenständen ein Kunst- und Kulturobjekt entstehen zu lassen.

Die Skulptur macht durch Farbe und Form auf sich aufmerksam. Sie regt zu Diskussionen an, belebt die Fantasie und ermöglicht neue Perspektiven auf das Emmentaler Kulturerbe. Das fertige Werk verkörpert die Emmentaler Gegenwart und zeugt von der vielfältigen Geschichte der Region.

Auffällige Skulptur

Neue Besitzer:innen für Museumsobjekte

Landwirtschaftlichen Geräte, Gegenstände aus der Milchwirtschaft, dem Haushalt und andere Sammlungsstücke konnten am Chüechlihus-Sunndig, am 11. September 2022, ihre Wunschobjekte persönlich beim Museum abholen.

Insgesamt erhielten 96 Bewerbungen aus der Schweiz (von Museen oder anderen Institutionen, Vereinen, Geschäften und Privatpersonen) den Zuschlag.

Der Chüechlihus-Sunndig

Feedback erwünscht

Das vergangene Jahr bot dem Museum und unserem Team auch auf persönlicher Ebene viele kleine und grosse Überraschungen. Vielen Dank an alle, die zum Erfolg von #AltSuchtNeu 2022 beitrugen.

Wir sind sehr gespannt zu erfahren, wie die Beteiligten das Projekt wahrgenommen haben. Deshalb sammeln wir momentan Feedbacks von den Personen, die beim Entsammlungsprojekt mitmachten oder mit uns zusammenarbeiteten. Wie sind die Onlineabstimmungen bei der Bevölkerung angekommen? Worüber freuten sich unsere Objekträt:innen? Was machen die neuen Besitzer:innen mit ihren Objekten? Würden sie wieder einmal mitmachen? Um Antworten darauf zu erhalten, verschickten wir eine Onlineumfrage.

Bei Fragen oder Rückmeldungen sind wir hier für euch erreichbar: info@regionalmuseum-langnau.ch

In den Medien

Worüber wurde in den Medien berichtet? Wir danken allen, die das Projekt in Onlinemedien, Zeitungen, Radio, TV oder anderen Kanälen teilten. Die verschiedenen Beiträge zu #AltSuchtNeu 2022 gibt es hier nachzulesen:

#AltSuchtNeu 2023

Wir vom Regionalmuseum Chüechlihus sind weiterhin von einem Dialog mit der Bevölkerung überzeugt. Gegenüber den Menschen, die hier Zuhause sind, tragen wir heute und auch in Zukunft eine Verantwortung. Die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe macht es möglich, unsere Beziehungen zu den regionalen Wurzeln wahrzunehmen, sie aufzubauen und mitzuprägen. Wir bleiben deshalb ein Ort des Austauschs und laden die Bevölkerung auch im 2023 wieder ein, sich an der Entsammlung zu beteiligen. Wir zählen auf die Meinungen, Bedürfnisse und das Wissen von euch und freuen uns aufs Wiedersehen im neuen Jahr.

Wenn die neongelbe Skulptur vor dem Regionalmuseum Chüechlihus zu sehen ist, geht es (hier) los.

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