Rückblick #AltSuchtNeu 2024

Nach erfolgreichen Durchführungen in 2022 und 2023 werfen wir einen Blick auf die Entsammlung 2024 – vorerst die letzte ihrer Art. Es war ein grossartiges Jahr!

Wenn Geschichte glitzert

Das Regionalmuseum Chüechlihus, ein bald 500 Jahre altes Gebäude mit steilem Dach und original erhaltenem Holzgebälk, verkörpert ein traditionelles Haus des Emmentals. Auch in diesem Jahr diente der historische Dachstock als Ausstellungsraum der Entsammlung. Wer den Weg bis ganz nach oben schaffte, wurde belohnt. Dort verband sich Altes mit Neuem – inmitten der uralten Balken verliehen Discokugeln der regionalen Geschichte modernen Glanz.

Erste Begegnungen und Projektschritte

In der ersten Phase des Projekts konnte die Bevölkerung online auf ENTSAMMELN.CH darüber abstimmen, welche Objekte das Museum verlassen sollen.

Der Objektrat #AltSuchtNeu begleitete diesen Prozess, der zwischen 27. März und 28. April 2024 stattfand.

Objektrat #AltSuchtNeu

Eröffnung der Ausstellung

Am Mittwoch, 3. April 2024, um 17.30 Uhr, lud das Regionalmuseum Chüechlihus die Öffentlichkeit zur Ausstellungseröffnung ein. Die Besucher:innen hatten nicht nur die Gelegenheit, erstmals den neu gestalteten Dachstock zu besichtigen, sondern erhielten auch Einblick in die Objektauswahl, die in diesem Jahr aus der Sammlung entlassen werden sollte.

Zu den Objekten, die vom Museum zur Entsammlung freigegeben wurden, zählten unter anderem Bilderrahmen, Werkzeuge, Kerzenständer, Textilien, Sofas und Vitrinen.

Dabei waren auch sensible Objekte, die eine Debatte anregen sollten: Darf ein Museum menschliches Haar weggeben? Wie gehen wir mit Munition um?

Die Ausstellung bot darüber hinaus Einblicke in Projekte von Hochschulen, die sich kreativ mit den Objekten aus der Entsammlung des Vorjahres auseinandersetzten.

Für eine stimmungsvolle Eröffnung sorgten «Cello Inferno» und «Flink Arbaro», die mit ihrer Musik auf selbstgebauten Instrumenten durch den Abend führten.

In der Ausstellung im Dachstock konnten die Objekte nicht nur betrachtet, sondern auch angefasst und anprobiert werden.

Die Bevölkerung war eingeladen mitzuentscheiden, welche Gegenstände das Museum aus seiner Sammlung weggeben soll. Dazu gab es eine Online-Abstimmung. Auf dieser Website waren durchgehend alle Objekte sichtbar. Alle Einwohner:innen und Heimatberechtigten des Emmentals durften ihre Stimme abgeben und so aktiv über den Verbleib der Kulturgüter mitbestimmen.

Austausch mit der Bevölkerung

Der direkte Kontakt zur Bevölkerung stand während des ganzen Jahres im Mittelpunkt des Entsammlungsprojekts. Gespräche und Rückmeldungen ermöglichten es auch, neue Informationen über die Objekte sowie deren Geschichtenzu sammeln.

Unterwegs in Langnau

Altlasten in Kleidung & Co: Tipps

Das Museum hat auch Aufklärungsarbeit zum Umgang mit Pestiziden an Objekten geleistet und nützliche Vorsichtsmassnahmen zusammengestellt, die auch für Second-Hand-Artikel hilfreich sind. Pestizidrückstände finden sich nicht nur in Museumstextilien, sondern können auch in Gegenständen von Flohmärkten und Brockenhäusern vorkommen.

Gemeinsam entschieden

In der ersten Phase unseres Projekts stimmten die Emmentaler:innen darüber ab, welche Objekte das Museum in neue Hände geben sollte.

Die Resultate der Abstimmung wurden an einem Treffen mit dem Objektrat #AltSuchtNeu besprochen und diskutiert.

Das Gremium stimmte ebenfalls darüber ab, welche der ausgewählten Objekte entsammelt werden sollen und welche nicht. Nach dem Zusammenzählen aller abgegebenen Stimmen (inkl. den Stimmen aus der Bevölkerung), war klar, welche Objekte das Museum definitiv verlassen.

Sensible Objekte

In der Ausstellung #AltSuchtNeu waren die Besucher:innen eingeladen, ihre Meinung über den Umgang mit sensiblen Objekten, zum Beispiel Munition, mitzuteilen. In diesem Jahr wurde auch über die Weitergabe von Echthaaren diskutiert. 

Material: unsichtbare Helfer

Das Museum entsammelte neben den Sammlungsobjekten auch gewöhnliche, nicht inventarisierte Gegenstände – so genanntes «Material» – ohne bekannte kulturelle, historische, wissenschaftliche oder künstlerische Bedeutung.

Die Zukunft der Museumsobjekte

Die Bevölkerung war aktiv eingebunden und aufgerufen, Ideen für die neue Verwendung der Gegenstände einzureichen. Auf die ausgesonderten Objekte und Materialien konnten sich alle Interessierten – unabhängig ihres Wohnortes – bewerben. Die Bewerbungsphase lief vom 3. Mai bis 16. Juni 2024.

Kreative Ideen

Neue Perspektiven für historische Objekte

Die eingegangenen Bewerbungen zeichneten sich durch eine bemerkenswerte Vielfalt aus.

Jede Stimme zählt

Vom 27. Juni bis 11. August 2024 hatten alle Emmentaler:innen die Möglichkeit, darüber abzustimmen, wo und wie unsere Museumsobjekte in Zukunft weiter verwendet werden sollen. Sie entschieden mit, welche Ideen umgesetzt werden und an wen die Kulturgüter aus dem Museum definitiv gehen.

Am Ende sollten die Vorschläge mit den meisten Stimmen gewinnen.

Der Objektrat – unser Gremium, bestehend aus Vertreter:innen der Bevölkerung und Fachleuten aus der Region – begleitete den gesamten Prozess, und nahm ebenfalls an der Abstimmung teil.

Chüechlihus-Sunndig 2024

Am 1. September 2024 fand der Chüechlihus-Sunndig statt, an dem die Objekte, die das Museum entsammelt hatte, von ihren neuen Besitzer:innen abgeholt wurden. Dieser Tag bildete den feierlichen Abschluss des Entsammlungsprojekts.

Vor und im Museum wurde ein abwechslungsreiches Kulturprogramm geboten, mit Musik, Rundgängen,  Spiele für Kinder und vieles mehr. Die Besuchenden konnten traditionelle Rosen- und Apfelchüechli, Hot Dogs, Kuchen, Glacé und weitere Köstlichkeiten geniessen.

Umfrage

Um zu erfahren, wie das Projekt wahrgenommen wurde und funktionierte, führten wir bei den Beteiligten eine Umfrage durch. Vielen Dank an alle, die sich die Zeit dafür genommen haben. 

Statements der Entsammlung 2024 (Auswahl)

Weshalb hast du mitgemacht?

  • «Innovatives Projekt»
  • «Ich habe grosse Freude an alten Gegenständen»
  • «Die Objekte passten in unsere vorhandene Sammlung»
  • «Tolle Aktion, spannende Gegenstände, Spass und Interesse»
  • «Innovatives Projekt»

Seit wann kennst du das Regionalmuseum Chüechlihus?

War es für dich neu, dass es zur Aufgabe eines Museums gehört, Objekte aus der Sammlung zu entlassen? 

Falls du ein Objekt/mehrere Objekte erhalten hast: Was hast du damit vor oder was hast du bereits damit gemacht? 

  • «In meine kreativen Arbeiten miteinbeziehen
  • «Als Deko verwenden»
  • «Beratung zum Gebrauch eingeholt, Funktion getestet»
  • «Wird benutzt von vielen. (Stuhl)»
  • «Gereinigt und in der Werkstatt einsortiert»

📌 Wir freuen uns über jedes Update zu euren Objekten und auch über Bilder: simon.schweizer@langnau-ie.ch 

Haben sich deine Beziehung zu Museen und dein Blick auf Objekte, wenn du Ausstellungen besuchst, seit dem Projekt verändert? Inwiefern?

  • «Ich lernte Menschen kennen, die im Museum arbeiten»
  • «Ich denke darüber nach wie sie ausgewählt wurden und was diese Wahl bedeutet.»
  • «Kaum»
  • «Ja, ich fand es spannend, dass die Geschichte der Objekte genauso interessant sind wie das Objekt an sich.»
  • «Ja, Was liegt wohl noch alles in den Archiven?»
  • «Ich frage mich bei ausgestellten Objekten vermehrt, ob das ausgestellt werden sollte»
  • «Nein. Das Thema war mir seit 20 Jahren bekannt. Die Umsetzung von euch fand ich toll.»

Du hast mit deinem Engagement zu einer gelungenen, öffentlichen Entsammlungsaktion des Museums beigetragen. Wird dir etwas besonders in Erinnerung bleiben?

  • «Euer grosses Engagement; die beeindruckende Präsentation der Objekte»
  • «Grosse Kommunikation (zu grosse?, Aufwand?)»
  • «Die Discokugeln»
  • «Die riesengrosse Anzahl von Objekten, die einen neuen Besitzer:in suchten»
  • «Wieviele interessante Gegenstände es doch früher gab!»
  • «Wie demokratisch der Prozess verlief»
  • «Ja, dass man genau überlegen und definieren muss, was man warum in eine Sammlung aufnimmt.»

#DeakzessionWhaaaat – Vom sperrigen Begriff zum zugänglichen Entsammeln

Das Regionalmuseum Chüechlihus blickt auf drei bedeutende Entsammlungsjahre zurück. Diese Zeit hat uns nicht nur geholfen, unsere Sammlung zu sortieren, zu schärfen und zu entschlacken, sondern auch wertvolle Erfahrungen und viele inspirierende Begegnungen beschert. In einer Broschüre haben wir im vergangenen Jahr ein Zwischenfazit zusammengefasst: «DEAKZESSION ENTSAMMELN! 10 gute Gründe dafür – und einer dagegen«

Im nächsten Jahr steht eine umfassende Publikation an, die das gesamte Projekt von 2022 über 2023 bis und mit 2024 Revue passieren lässt.

Zudem freuen wir uns, dass die Dokumentarfilmerin Valeria Stucki uns bereits seit über einem Jahr begleitet und den partizipativen Prozess unseres Projekts auf Kamera festhält.

Ein herzliches Dankeschön an alle, die mit uns das Emmentaler Kulturgut vom Museum in die Welt getragen und dieses Pionierprojekt mit ihren Ideen, ihren Besuchen, ihrem Engagement, ihren Informationen und ihrem Interesse bereichert haben. 💛

Mehr vom Regionalmuseum Chüechlihus? Wir freuen uns, in Kontakt zu bleiben!

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