Zum Umgang mit Pestiziden im Museum

Das Regionalmuseum Chüechlihus beherbergt ca. 25’000 Objekte in seiner Sammlung, die über Jahrzehnte durch Schenkungen und eigene Erwerbungen zusammengetragen wurden. Was früher im Umgang mit Objekten als selbstverständlich galt, muss heute teilweise kritisch betrachtet werden, denn: der Einsatz von Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung war bis vor wenigen Jahren, sowohl in Museen als auch in Privathaushalten, weit verbreitet.

Während der Entsammlung sind wir auf Materialien gestossen, die potenziell von Altlasten betroffen sind. Wir berichten hier, wie wir mit Gefahrenstoffbelastungen bei Objekten umgehen und zeigen, in welchen Situationen auch Privatpersonen vorsichtig sein sollten.

Altlasten im Depot

Um in einem Museum das Sammlungsgut möglichst lange in gutem Zustand aufzubewahren, müssen die Objekte u.a. vor starken Klimaschwankungen, UV-Licht, Brand und Diebstahl, aber auch vor Schädlingen geschützt werden. Letztere gefährden den Erhalt von organischen Materialien wie z.B. Holz, Wolle, Papier, Baumwolle, Seide, Pelz und Federn. Die Bekämpfung von Schadinsekten wird heutzutage giftfrei durchgeführt.

Noch vor wenigen Jahren war der Einsatz von Pestiziden sowohl in Museen als auch in Privathaushalten jedoch allgegenwärtig. Die Rückstände dieser Substanzen sind problematisch, da sie nicht nur eine Belastung für die Materialien darstellen, sondern auch potenziell gesundheitsschädlich sein können.

Bei der Arbeit im Depot, aber auch bei der Weitergabe von Sammlungsobjekten sind wir deshalb sehr aufmerksam: Es ist wichtig, Pestizide zu erkennen und die entsprechenden Informationen transparent zu kommunizieren, insbesondere im Kontext einer Entsammlung, bei der Objekte von externen Personen und Institutionen abgeholt und mitgenommen werden. 

Transparentes Entsammeln

Seit dem Beginn des Entsammlungsprojektes #AltSuchtNeu konnten keinerlei Pestizide an den entsammelten Objekten festgestellt werden. Auch bei den im Jahr 2023 entsammelten Textilien liessen sich keine Anzeichen solcher Rückstände identifizieren. Da eine Belastung von Textilien aber kaum je komplett ausgeschlossen werden kann und jede Person unterschiedlich auf belastete Textilien reagiert, haben wir bei der Übergabe unserer ehemaligen Sammlungsobjekte auf potenzielle Gefahrenstoffbelastungen hingewiesen.

In Zusammenarbeit mit Kolleginnen vom Textilmuseum St. Gallen* erstellten wir ein Informationsblatt, das Hinweise sowie spezifische Anzeichen und Empfehlungen zum Umgang mit möglicherweise belasteten Materialien enthält. Alle Beteiligten an der Entsammlung von über 1 500 Objekten im letzten Jahr haben dieses Informationsblatt erhalten.

* Wir danken den Kolleginnen Mandana Roozpeikar, Claudia Merfert und Annina Dosch vom Textilmuseum in St. Gallen für die fachliche Unterstützung, bei einem Thema, das die meisten Museen betrifft und viele kleinere Museen überfordern kann.

Tipps im Umgang mit Textilien

Grundsätzlich ist bei allen Textilien aus zweiter Hand Vorsicht geboten, egal ob sie aus natürlichen Materialien oder Kunststoffen hergestellt wurden.

Anzeichen für Pestizide sind beispielsweise ein unangenehmer Geruch, farbliche Veränderungen, aber auch körperliche Reaktionen, wie zum Beispiel Jucken oder Hautveränderungen. Die Belastung kann durch gutes Lüften, Sonnenlicht und gründliches Waschen häufig verringert werden. Falls die Anzeichen aber bleiben, sollte auf Hautkontakt verzichtet werden oder das Textil entsorgt werden.

Oft betroffene Textilien

  • Kuscheltiere
  • Ausgestopfte Tiere
  • Federn auf Hüten und an Kostümen
  • Pelz an Kleidung und Accessoires
  • Leder an Kleidung und Accessoires
  • Wolle in Kleidung und Textilien
  • Seide in Kleidung und als Futterstoffe
  • Musterabschnitte von Textilfirmen
  • Militaria

Sonderfall Pelz

Für die Entsammlung im Jahr 2024 haben wir uns intensiv mit den Pelzen in unserer Museumssammlung auseinandergesetzt. Die Belastung durch Gefahrenstoffe tritt bei Pelzen verstärkt auf und stellt daher häufig ein Risiko für die Textilien und die Mitarbeitenden dar. Aufgrund dieses Verdachts haben wir eine Gefahrenstoffanalyse in Auftrag gegeben.

Dazu wurden aus den vier Kisten mit Pelz, die für die Entsammlung vorgesehen waren, zufällig je ein Stück ausgewählt. Bei der Analyse wurden die Materialien auf Rückstände von Quecksilber, Arsen und Chlor getestet. Diese Elemente sind die üblichen drei Substanzen, die früher in Museumssammlungen zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt wurden.

Ergebnisse Gefahrenstoffanalyse

In den untersuchten Pelzen konnten keine Schwermetalle in erhöhten Konzentrationen nachgewiesen werden: Quecksilber und Arsen können deshalb als verwendete Pestizide ausgeschlossen werden. Die Chlorwerte dagegen sind in allen Proben hoch bis sehr hoch. Wir müssen von einer starken Belastung durch chlorhaltige Pestizide wie DDT, Lindan oder Transfluthrin ausgehen. Transfluthrin ist seit Jahrzehnten der häufigste Wirkstoff in Mottenmitteln. Es ist für Warmblüter (u.a. Menschen) weitgehend ungiftig, kann aber Haut und Augen reizen. Andere Gefahrenstoffe sind problematischer, weshalb das Arbeiten mit den Objekten nur mit entsprechenden Schutzmassnahmen möglich ist. Eine Weitergabe der Pelze ist damit enorm eingeschränkt bis praktisch unmöglich.

Entsammeln = Entsorgen

Am letzten Treffen des Objektrats 2023 wurden diese Resultate aus der Analyse besprochen sowie die Frage, ob und wie wir unsere Pelze entsammeln können. Das Gremium diskutierte diesen Sonderfall und entschied einstimmig, dass die 107 Pelzobjekte aus der Sammlung in diesem speziellen Fall nicht auf dem üblichen Weg entlassen und weitergegeben, sondern direkt entsorgt werden. Die Gefahrenstoffbelastung in diesen Textilien war zu hoch, um verantwortlich damit umgehen zu können.

Die Objekte wurden vor der Entsorgung nochmals gut dokumentiert. Nach Rücksprache mit dem regionalen Entsorgungshof konnten die vier gut verpackten Pakete dort abgegeben und fachgerecht vernichtet werden.

Transparenz

Unser Entsammlungsprojekt geht über das Weitergeben von Museumsgütern hinaus. Unter anderem ist es uns ein Anliegen, damit allen Interessierten einen transparenten Einblick in die Arbeit unseres Museums zu gewähren. Dies schliesst auch die kritische Betrachtung von Themen wie Pestizide und der potenziellen Belastung von Objekten durch Gefahrenstoffe ein. Eine offene Kommunikation ist dabei von zentraler Bedeutung. Wir zeigen deshalb immer wieder auf, wie wir während der Entsammlung Problemstellungen erkennen, angehen und lösen. Diese Herangehensweise fördert in diesem Fall von Pelzen nicht nur einen sorgfältigen Umgang mit unserer Sammlung, sondern auch die Sicherheit und Gesundheit aller Beteiligten – sei es im Museumsumfeld oder in Privathaushalten.

Entsammeln 2024

Am Mittwoch, 3. April um 17:30 Uhr, starten wir im Regionalmuseum Chüechlihus i.E. unsere diesjährige – und vorerst letzte – öffentliche Entsammlungsrunde. Eine Vielzahl faszinierender Objekte, von Werkzeugen über Bilderrahmen bis hin zu Museumsmobiliar und Textilien wie Vorhänge, Sofas und Nachthemden, werden in diesem Jahr an einem anderen Ort eine neue Bestimmung zu finden. Vom April bis September sind alle diese Gegenstände im Dachstock des Museums ausgestellt und rund um die Uhr auf dieser Website sichtbar.

Begleitet wird die Auftaktveranstaltung von einem regionalen Apéro und Musik, die das Motto #AltSuchtNeu aufgreift.

Sei dabei, wir freuen uns auf dich!

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